…aber welche?
Im aktuellen Karneval der Rollenspiele fragt Infernal Teddy nach ein paar handfesten Tipps für Spielleiteranfänger. Wie einige der Kommentaroren des Eröffnungsbeitrags schon andeuten, gibt es natürlich schon einige allerhand Unmengen an Tipps, Leitfäden und Tutorials in allen nur denkbaren Formen und Medien. Ein solcher Beitrag kann also nicht den Anspruch erheben, irgendetwas Neues zum Thema zu sagen. Dennoch: Ich möchte den aktuellen Karneval zum Anlass nehmen, etwas über Strukturen im Rollenspiel zu sinnieren. Mit »Strukturen« meine ich alle methodischen und formellen Aspekte der Abenteuervorbereitung, vom Setting über die NSCs, die Plotstrukturen, Charaktere, Maps, Beziehungsnetze, Herausforderungen usw. Das ist ein Thema, das zwar irgendwie immer präsent ist, aber an dieser Stelle einfach mal auf den Punkt gebracht werden muss. Das schafft für Anfänger Transparenz und ist sicherlich auch für alle alten Hasen, Teddys und Kaninchen interessant.
(Sehr lesenswerter Artikel über Beziehungsnetze auf Teilzeithelden)
Mein persönliches Erweckungserlebnis erfolgte durch einen Text, den ich als meine »Rollenspielbibel« bezeichne: Erst wurden mir die Augen geöffnet, später hielt ich mich sklavisch an die Vorgaben und mittlerweile sehe ich den Text eher als eine grobe Orientierung und besinne mich auf die Kernaussagen. Es ist ein amerikanischer Text mit dem viel-/nichtssagenden Titel Gamemastering und die Botschaft ist im Wesentlichen folgende:
Du musst nicht viel vorbereiten, sondern nur das Richtige. Und das ist: Gute Charaktere und strukturierte Herausforderungen.
Und da wird jeder SL zustimmen. Es lohnt sich durchaus, das Ding mal zu lesen, wenn man etwas Zeit und englische Sprachkenntnisse hat. Ich will aber an dieser Stelle nur etwas zu Strukturen schreiben, denn eine gute Strukturierung hilft dir, (nur!) die wesentlichen Informationen vorzubereiten, diese wesentlichen Informationen auch während der Spielsitzung parat zu haben und mit ihnen angemessen reagieren und improvisieren zu können. Ein Verständnis für die grundlegenden Strukturen des Rollenspiels hilft dir aber auch, Fertigabenteuer besser zu verstehen und anzupassen.
1. Herausforderungen
Jedes Abenteuer besteht aus Herausforderungen. Herausforderungen, das sind im weitesten Sinne Hindernisse, die es zu überwinden gilt, im Großen wie im Kleinen. Einige Beispiele gefällig?
- Brich in die geheime Forschungsstation von Czerka Industries ein und stiel den Prototypen des neuen Landspeeders!
- Öffne eine Tür mit komplizierten Zwergenschloss!
- Besiege ein Rudel hungriger Wölfe!
- Erlange Informationen über Graf Jolwick von Ippsworth!
- Entkomme aus dem Fallenraum, dessen Wände näher kommen!
- Fange den Dieb!
- Töte den finsteren Nekromanten!
- Finde den Mörder!
Es ist deutlich, dass diese Herausforderungen sich nicht alle auf derselben Ebene abspielen. Es kann ein Kampagnenziel sein, den finsteren Nekromanten zu töten. Weil man zu diesem Zweck aber den Landspeeder von Czerka braucht, muss man in einem Abenteuer in die geheime Forschungsstation einbrechen und in dieser Forschungsstation trifft man dann auf hungrige Wölfe oder Räume mit erdrückender Atmosphäre. In gewisser Weise kann man Herausforderungen also mit Questzielen und Unterzielen vergleichen. Abgesehen davon, dass wir es in unserem Beispiel offenbar mit einem recht interessanten Setting zu tun haben, wird auch deutlich, dass diese Herausforderungen sich in ihrer Offenheit unterscheiden. Eine Tür zu öffnen ist eine spezifischere Aufgabe als Informationen zu erlangen. Für die Tür braucht es einen Schlüssel/Dietrich oder Gewalt, für die Informationen können die SC den Grafen beschatten, Bekannte befragen, Recherchieren oder dem Grafen selbst die Informationen entlocken, in einer Verkleidung vielleicht oder mit einer Droge.
Wir halten also fest, dass man Rollenspielgeschichten als eine Reihe von verschachtelten Herausforderungen betrachten kann, die von den SC überwunden werden müssen. Die Herausforderungen können linear und spezifisch sein (»Besiege diesen Gegner!«) oder verzweigt und offen (»Gelange in die Villa des Grafen!«). Jede Herausforderung sollte zudem mehrere Lösungsmöglichkeiten oder alternative Herausforderungen haben, damit das Spiel nicht steckenbleibt. Es ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, dass Herausforderungen durchaus scheitern dürfen. In diesem Fall muss es natürlich eine neue Herausforderung geben. Die Schwierigkeit liegt sicherlich auch darin begründet, dass Spielern oft nicht klar ist, welche Herausforderung sie überwinden sollen (wollen?), oder dass sie sich gar selbst Ziele setzen und verfolgen (Oh nein!). Wenn Spieler nicht wissen, was sie tun sollen, stockt das Spiel und es wird langweilig. Entweder die Spieler oder die Spielleitung sollte deutlich machen, welche Herausforderung soeben ansteht.
Das hier ist ein Beispiel dafür, wie so ein Abenteuer aussehen kann: Jeder Kasten ist eine Herausforderung, die Herausforderungen sind verschachtelt, laufen teilweise parallel oder linear. Dass das hier so schick aussieht, bringt uns zu einem letzten Problem: Dem Railroading. Das Abenteuer von vornherein auf diese Weise zu strukturieren, ist sinnlos – oder zumindest hochgradig unhöflich. Im schlimmsten Fall führt es zu der oft gelesenen Formulierung: »Egal, was die SC nun machen; als nächstes…« (!) Böse! Gemein! Aus! Pfui! Zwei Dinge also noch mal ganz explizit:
- Jede Herausforderung sollte verschiedene Lösungsmöglichkeiten haben und selbst, wenn die Herausforderung scheitert, muss es weitergehen.
- Daraus folgend: Niemals zu genau planen, Spieler werfen eh alles durcheinander, die meisten Herausforderungen entstehen spontan und vielleicht ist ein anderer Weg auch eh viel spannender.
Warum also dann dieser Abschnitt zu Herausforderungen? Ganz einfach, wenn du verstehst, wie Rollenspielabenteuer aufgebaut sind, kannst du wesentlich souveräner mit den Abenteuern umgehen und deine eigenen auch strukturierter ausarbeiten. Allerdings sind Herausforderungen nicht alles, schließlich spielen wir ja nicht nur Dungeon Crawls. Das bringt uns zum nächsten Punkt.
2. Charaktere
Und darüber wurde auch schon viel geschrieben. Nur so viel: Wenn du deine SC und NSC so strukturierst, dass du im Spiel alle Informationen sofort griffbereit hast und diese auch wirklich relevant für das Spiel sind, hast du schon halb gewonnen. Ganz ehrlich, ich hasse wenig mehr, als halbseitige Abhandlungen über NSC, die man in fünf Stichpunkten zusammenfassen kann. Fließtext ist böse! (Das wussten schon unsere Deutschlehrer) Was also tun?
Das Relevante herausfinden und aufschreiben. Die Jungs vom Donnerbalken, Verzeihung – Donnerhaus haben einige Kategorien vorgeschlagen, mit denen man über Stichpunkte Charaktere strukturiert beschreiben kann, sowohl SC als auch NSC. Sehr Lesenswert. Trotzdem flüsterte mir beim Lesen die ganze Zeit mein kleines Teufelchen auf der Schulter das Wort »Aspekte« ins Öhrchen. Wer mal die letzten zehn Artikel dieses Blogs überfliegt, weiß, warum:
»Is ja alles ganz nett, aber Fate macht das eleganter.«
Damit meine ich, dass es zwar gut ist, sich über wichtige Charaktere viele tiefe Gedanken zu machen, dass aber für das jeweilige Abenteuer nur aufschreibenswert ist, was relevant für die Story ist. Und zwar genau jetzt. In diesem Moment. Das löst Fate über Aspekte, die in fünf kurzen Phrasen Charaktereigenschaften, -Motivationen, -Beziehungen, -Moral usf. beschreiben. Und das ist mein Tipp: Spielt als SL-Anfänger niemals Fate, aber lest die Regeln, am besten fünf Mal, und beschreibt alle Charaktere fortan mit Aspekten, selbst wenn ihr DSA spielt und diese Aspekte keine regeltechnische Auswirkung haben. Denn was gibt es Schöneres, als den obligatorischen Statblock um eine Handvoll kurze, wohlformulierte Phrasen zu ergänzen, in denen alles Wesentliche steht? Auf den ihr nur kurz schauen müsst, um sofort über den NSC und seinen Charakter, seine Ziele, seine Beziehungen und seine Konflikte bescheid zu wissen? Es ist zum Heulen schön!
Selbiges gilt übrigens auch für Orte. Zum Beispiel zwei Aspekte pro Ort und schon ist alles Wesentliche gesagt. Klar darf man sich auch mal wohlformulierte Vorlesetexte bereitlegen oder eine Liste von Beschreibungphrasen vorbereiten, aber wenn es drauf ankommt, reichen diese paar Worte, um sofort informiert zu sein.
Aber genug der Lobhudelei. Einen letzter SL-Ninja-Geheimtrick will ich euch noch mit auf den Weg geben, denn das hat mir als SL mehr als einmal den Arsch gerettet: B. J. in Gamemastering (Ich erwähnte es bereits) schlägt vor, zu jedem Charakter genau ein hervorstechendes äußeres Merkmal und eine Verhaltensweise festzulegen. Das hilft im Spiel, auf den ersten Blick griffige und wiedererkennbare Charaktere zu spielen. Und es geht noch besser: Lege dir eine Tabelle von etwa fünf generischen NSC an, mit Namen, Merkmal und Verhalten. Sollte ein SC auf die überraschende Idee kommen, den Jarl des Stamms anzusprechen, obwohl du dir noch nicht mal ansatzweise überlegt hast, ob es eine solche Figur überhaupt gibt, so kannst du sofort mit einem einzigartigen Charakter überzeugen, von dem deine Spieler ausgehen werden, dass du ihn genauestens vorbereitet hast. Ich habe hier mal die Beispietabellen aus besagtem Buch notdürftig übersetzt: NSC Merkmale und Angewohnheiten.
3. Maps
Einen letzten Gedanken möchte ich dir hier noch auf den Weg geben, um nicht endgültig in Geschwafel abzuschweifen: Karten sind toll. Nicht, weil sie schick aussehen oder weil sie Hexfelder fürs Reichweitezählen haben, sondern weil sie eine verbindliche Grundlage für dein Abenteuer oder deine Szene sind. Karten verankern dein Abenteuer im Raum-Zeit-Kontinuum der Spielwelt und das hat nichts mit Quanten zu tun. Sie helfen dir nämlich, genau festzulegen, wo etwas ist, wie man dahin kommt und wie lange das dauert. Ich bin kein großer Fan von Stunden-, Metern- und Rationenzählen, aber eine Karte schafft es, einem Ort Struktur zu verleihen, und wie ich bereits hie und da angedeutet hatte, halte ich das für eine außerordentlich wichtige und nützliche Angelegenheit. Schnapp (oder zeichne!) dir also einfach für das nächste Abenteuer eine Karte und lass dich inspirieren. Und wenn deine Spieler das nächste Mal fragen: »Wo finden wir denn diesen Fälscher?«, dann musst du nicht antworten: »Ja, puh, im Armenviertel, würde ich sagen, so in einer dieser Häuser. Ihr braucht etwa eine Stunde«, sondern du sagst: »Hier.«
Und weil dieses Beispiel so unglaublich konstruiert wirkt, möchte ich gleich darauf hinweisen, dass es natürlich keine Karten braucht, und dass ein routinierter SL das auch so kann, wenn er sich vorher einigermaßen Gedanken über einen Ort gemacht hat. Aber es hilft, es hilft ungemein. Ich halte es für keinen Zufall, dass Dungeons so beliebt sind, denn sie sind so leicht zu leiten. Man muss als SL nicht viel drauf haben, um einen mittelmäßigen Dungeon zu meistern, einen verzwickten Mordfall aufzuklären, ist schon eine ganz andere Sache. Aber für beides ist eine Karte ganz toll.
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