Erfolg mit Wookie!

(Oder: Nar­ra­ti­ve Mecha­nis­men  in Star Wars – Am Ran­de des Impe­ri­ums)

Sie nennen es »cineastisch«

Die­ses neue Star Wars-Rol­len­spiel, das im Moment so schwer ver­füg­bar ist und mich vor­kom­men lässt wie etwa 27 Jah­re zuvor in gewis­sen öst­li­chen Gefil­den Deutsch­lands, hat einen in mei­nen Augen revo­lu­tio­nä­ren Wür­fel­me­cha­nis­mus, weit ab von D20 und Pool­sys­te­men erfun­den, der den Ent­wick­lern zufol­ge ein gewis­ses cine­as­ti­sches und schnel­les Spiel­ge­fühl erzeugt. Ob das Spiel dadurch wirk­lich schnel­ler wird und was gewis­se kapi­ta­lis­ti­sche Inter­es­sen eines gewis­sen Lizenz­be­sit­zers damit zu tun haben könn­ten, mag in unbe­deu­ten­den Neben­sät­zen abge­han­delt wer­den. Was mich aber, als lei­den­schaft­li­chen Fate-Spie­ler am meis­ten inter­es­siert, ist, wie dort nar­ra­ti­ve Mecha­nis­men mit der »har­ten« Spiel­me­cha­nik ver­wo­ben wer­den, wo das funk­tio­niert und wo nicht und vor allem, was das für Kon­se­quen­zen für das Spiel­ge­fühl hat. Dabei wer­de ich auch immer mal wie­der auf Fate ver­wei­sen um anhand des Kon­tras­tes bestimm­te Din­ge bes­ser erklä­ren zu kön­nen. Das hier wird kei­ne Rezen­si­on (derer es ja schon wirk­lich genug gibt), son­dern ein Aus­druck mei­ner Ver­wun­de­rung, Freu­de und des Ärgers, die sich beim Bespie­len des Sys­tems ein­stell­ten.

Zusammenstellen: leicht. Auszählen: mittel. Interpretieren: schwer.

Das Wür­fel­sys­tem war der eigent­lich Grund, war­um ich mich für ARdI (wie es auch lie­be­voll genannt wird) ent­schie­den hat­te. Man hat drei Arten gute und drei Arten schlech­te Wür­fel, die man – je nach Umstän­den – zusam­men in einen Wür­fel­pool legt, dann wür­felt und schließ­lich gegen­ein­an­der aus­zählt. Dabei gibt es noch ein­mal je drei gute und drei schlech­te Sym­bo­le, die auf bunt gemischt auf den jewei­li­gen Wür­feln vor­kom­men und die sich unter­schied­lich her­aus­rech­nen. Das End­ergeb­nis ist dann recht inter­pre­ta­ti­ons­wür­dig, aber immer anders. (Unbe­deu­ten­der Neben­satz 1: Dafür muss man natür­lich die teu­ren Wür­fel kau­fen, weil es wirk­lich kein Ver­gnü­gen ist, die Sym­bo­le in Tabel­len umzu­rech­nen.)

Das Zusam­men­stel­len ist eine wirk­lich schö­ne Ange­le­gen­heit, weil man für sei­ne posi­ti­ven Wür­fel wirk­lich was in die Hand bekommt. Es ist viel schö­ner, wenn man einen zusätz­li­chen Ver­stär­kungs­wür­fel bekommt, als wenn es heißt: »Joa, du kriegst +2.« Die­se hell­blau­en Ver­stär­kungs­wür­fel bekommt man für beson­ders gute Umstän­de, Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten, Vor­be­rei­tung und vor­he­ri­ge gelun­ge­ne Pro­ben und haben ihr Gegen­stück in den schwar­zen Kom­pli­ka­ti­ons­wür­fel, die man für schlech­te Umstän­de, gelun­ge­ne geg­ne­ri­sche Pro­ben und eine schwie­ri­ge Umge­bung bekommt. Na, ihr Fate-Spie­ler, schreit bei euch nicht alles: VORTEIL ERSCHAFFEN!, ASPEKT NUTZEN! und SCHUB! ? Mir ging es jeden­falls so und das war der Grund, war­um ich mich in dem Sys­tem sofort zu Hau­se gefühlt habe. Der wesent­li­che Unter­schied ist, dass man nichts dafür bezahlt, aber zur Beloh­nung auch nur eine erhöh­te Wahr­schein­lich­keit bekommt.

Das Aus­zäh­len ist ein wenig umständ­lich, weil es Erfol­ge und Fehl­schlä­ge gibt (löschen sich gegen­sei­tig aus), Vor­tei­le und Bedro­hun­gen (eben­falls) und die eher sel­te­nen Tri­um­phe und Ver­zweif­lun­gen (ver­än­dern die Hand­lung). Erfol­ge und Fehl­schlä­ge sind das ein­fa­che und abge­stuf­te »geschafft« und »nicht geschafft«, das jeder Rol­len­spie­ler kennt. Span­nen­der wird es bei den Vor­tei­len und Bedro­hun­gen (die wir kur­zer­hand »Woo­kies« und »Todes­ster­ne« genannt haben, weil die­se gan­zen Begrif­fe wirk­lich ver­wir­rend sind). Die geben näm­lich beson­de­re nar­ra­ti­ve oder im Kampf auch crun­chi­ge Kon­se­quen­zen und – das Span­nends­te – sie tre­ten unab­hän­gig von Erfolg und Miss­erfolg auf. Wir kön­nen also einen Erfolg mit Woo­kie errin­gen, aber auch einen Erfolg mit drei Todes­ster­nen. Was mag das nur bedeu­ten?

Es bedeu­tet in der Regel, dass ich zwar errei­che, was ich woll­te, aber ein unbe­que­mer Neben­ef­fekt tritt ein. Ich hacke zwar den Rech­ner, aber der Alarm geht los. Oder umge­kehrt: Ich über­zeu­ge zwar mein Gegen­über nicht, aber der Die­ner, der zuge­hört hat, hilft mir. Aber wenn ihr mei­ne ganz ehr­lich Mei­nung hören wollt: Das ist auf Dau­er echt umständ­lich. Und da ver­las­sen mich das Regel­werk, der gesun­de Men­schen­ver­stand und auch mei­ne Fan­ta­sie. Es gibt zwar Tabel­len, die bei der Aus­wer­tung hel­fen, aber ers­tens ist es ein­fach nach einer Wei­le ermü­dend, sich für jeden Pups posi­ti­ve und nega­ti­ve Kon­se­quen­zen – unab­hän­gig vom Erfolg der Pro­be – aus­zu­den­ken und zwei­tens sind die Regeln da auch nicht beson­ders kon­sis­tent. Bei­spiel: Com­pu­ter­tech­nik. Ich hacke einen Rech­ner und habe zwei Erfol­ge und drei Woo­kies. Wel­che Infor­ma­tio­nen ent­spre­chen denn jetzt aber den Erfol­gen und wel­che den Woo­kies? Bei­spie­le wie die­ses fin­den sich an vie­len Stel­len in den Regeln und auch in den Kauf- und Down­load­aben­teu­ern. Ist aber auch schwer, schließ­lich hat man unzäh­li­ge inter­pre­tie­rungs­wür­di­ge Abstu­fun­gen.

Dabei ist das Sys­tem an sich ziem­lich fatig. Ein Miss­erfolg mit Woo­kie ist ein »Fai­ling For­ward« und ein Erfolg mit Todes­ster­nen ein »Erfolg mit Haken«. Außer­dem kom­men dann so coo­le Aktio­nen ins Spiel, wie »Ich tref­fe nicht, dafür schie­ße ich den Zapf­hahn an und das Bier spritzt durch die gan­ze Can­ti­na!«. Das gibt dann, wenn man es klug nutzt, einen Ver­stär­kungs­wür­fel für den nächs­ten. Das geht schon in die Rich­tung von »Schub« oder »Vor­teil erschaf­fen«. Es soll­te viel­leicht nur etwas weni­ger… ran­dom und abge­stuft und häu­fig sein. Das wür­de schon hel­fen. Von Tri­um­phen und Ver­zweif­lun­gen fan­ge ich an die­ser Stel­le gar nicht erst an.

Dilemma und Motivation

Fate kennt ja die schö­nen Cha­rak­ter­as­pek­te. (Ich möch­te an die­ser Stel­le bemer­ken, dass mir noch nie etwas so Ele­gan­tes begeg­net ist, wie Aspek­te, aber das nur am Ran­de.) Bei ARdI gibt es Moti­va­ti­on und Ver­pflich­tun­gen. Vor allem letz­te­re sind ein in Regeln gegos­se­nes Dilem­ma in der Form von »Ich schul­de X etwas«, »Mein Ehren­ko­dex ver­langt von mir« oder »Ich muss mei­ne Schwes­ter ret­ten«. Mit ande­ren Wor­ten, es erlaubt dem Meis­ter, die SC schön in die Schei­ße zu rei­ten und sie zu Din­gen zu zwin­gen, gibt die­sen aber ande­rer­seits auch die Mög­lich­keit, die Geschich­te zu ihren Guns­ten zu ver­än­dern und zusätz­li­che Aus­rüs­tung / Erfah­rungs­punk­te zu bekom­men. Die­se Ver­pflich­tun­gen sind jeweils mit einem Wert ver­se­hen, der durch erle­dig­te Auf­ga­ben sinkt, meist aber mit neu­en Fein­den steigt.

Beim Lesen muss­te ich dann doch immer mal wie­der schmun­zeln, denn so gibt es immer wie­der auch »har­te« Mecha­nis­men, die ver­hin­dern sol­len, dass Powerga­mer die Ver­pflich­tun­gen aus­nut­zen. Bei­spiel gefäl­lig? Steigt die Grup­pen­ver­pflich­tung über 100, kön­nen kei­ne Erfah­rungs­punk­te mehr aus­ge­ge­ben wer­den. Oder: Am Anfang jedes Abends wür­felt der SL einen W100. Ist das Ergeb­nis klei­ner als die Grup­pen­ver­pflich­tung, bekom­men alle SC Abzü­ge. Ja, so ist das, wenn die har­te Welt der Gamis­ten auf die »Ich will mei­nen Hel­den lei­den sehen!«-Welt der Nar­ra­ti­vis­ten trifft.

Schließ­lich gibt es noch die Mög­lich­keit, für eine gute Moti­va­ti­on oder einen pas­sen­den Cha­rak­ter­hin­ter­grund, bzw. -Kon­zept Boni, meist in Form von Ver­stär­kungs­wür­feln, zu bekom­men. Das machen ver­mut­lich vie­le Rol­len­spie­le so, dar­um wür­de ich es nicht zu hoch bewer­ten. Aber mein klei­nes Fate­männ­chen auf der Schul­ter quiekt mir immer­fort »Cha­rak­ter­as­pekt nut­zen!« ins Ohr.

Schicksalspunkte

Die­se komi­schen Gum­mi­punk­te haben sich mitt­ler­wei­le weit ver­brei­tet, sogar schon im Estab­lish­ment. Das spricht auf jeden Fall für sie. In ARdI sind sie lei­der auch eher halb­her­zig umge­setzt. So kann jeder Spie­ler jeder­zeit vor der Pro­be einen aus­ge­ben, um einen Wür­fel »auf­zu­wer­ten« (sprich: durch den nächst­hö­he­ren zu erset­zen, um damit die Wahr­schein­lich­keit auf tol­le Erfol­ge, Woo­kies oder Tri­um­phe zu erhö­hen). Das ist zwar nett, aber wenig nar­ra­tiv. Dafür macht es für mich als SL das Ein­set­zen wesent­lich leich­ter, weil ich nicht immer die­se ner­vi­gen Spie­leras­pek­te beach­ten muss. (Ganz ehr­lich: Manch­mal will man ein­fach nicht noch mehr Eska­la­ti­on!). Das Beson­de­re an den Schick­sals­punk­ten ist aber ihre Zwei­sei­tig­keit. Da gibt es so Umdreh­plätt­chen und immer wenn ein Spie­ler einen SP aus­gibt, wird ein sol­ches umge­kehrt und dann darf der Meis­ter es gegen den Spie­ler aus­ge­ben. Und anders­rum. Das schränkt den SL zwar ein wenig ein, aber führt ande­rer­seits dazu, dass die Res­sour­ce immer aus­ge­gli­chen bleibt. Ich über­le­ge, ob ich das für mei­ne Erd­fall­run­de auch so ein­füh­re.

Ein schnelles Spiel?

Kur­ze Ant­wort: Nein. Lan­ge Ant­wort: Wenn da nicht die­se Kämp­fe wären, dann wäre es ver­mut­lich ein schnel­les Spiel. Ich gebe es zu, ich bin auch etwas ver­wöhnt. Nor­ma­ler­wei­se beschrei­ben wir, wür­feln dann fix und dann geht es wei­ter. Mit Distanz­klas­sen, Ener­gie­schild­um­lei­tun­gen und Raum­schiff­ge­schwin­dig­keits­dif­fe­ren­zen beschäf­ti­ge ich mich nor­ma­ler­wei­se nicht. Da geht der nor­ma­le Kampf in Star Wars ja noch, aber wenn es dann zum Raum­kampf kommt, dann wird es wirk­lich unin­tui­tiv und sper­rig. Das ist sehr scha­de, denn eigent­lich laden die Wür­fel­me­cha­nis­men ja dazu ein, zu erzäh­len, beson­ders mit Raum­schif­fen. Aber irgend­wie woll­ten die Ent­wick­ler dann doch eher so einen Brett­spiel­cha­rak­ter erschaf­fen und das läuft dann dem gan­zen Sys­tem zuwi­der.

Dabei gibt es auch hier wie­der net­te Ide­en. Der Bier­hahn ist nur eine. Es ist aber auch rela­tiv unkom­pli­ziert, die Umge­bung zu nut­zen, in dem man bei­spiels­wei­se in Deckung geht. Man soll­te aber fai­rer­wei­se bemer­ken, dass Umge­bungs­as­pek­te sich auf alle SC und NSC aus­wir­ken, also nicht nur, wenn man einen SP dafür bezahlt. Die­ser Ansatz ist natür­lich eher unfa­tig, aber mir per­sön­lich gefällt er, weil er eine gro­ße Inkon­sis­tenz besei­tigt, die mich an Fate schon immer gestört hat: Nur wer einen SP aus­gibt, darf sich auch regel­tech­nisch im Dun­kel bewe­gen.

Fazit und Veränderungsvorschlag

Im Gegen­satz zu Fate scheint mir ARdI den umge­kehr­ten Weg zu gehen: Erst wür­feln, dann erzäh­len. Das hat durch­aus sei­nen Reiz und auch der Ansatz, durch Ver­än­de­rung des Wür­fel­pools stets nur Wahr­schein­lich­kei­ten zu ver­än­dern gefällt mir. Ich hab ein­fach gern was in der Hand und ganz ehr­lich: Ich steh auf Wür­fel. Pool­sys­te­me haben also auto­ma­tisch Plus­punk­te bei mir. In vie­len Punk­ten ist mir das Spiel­ge­fühl ver­traut und es macht Spaß, sich Kon­se­quen­zen und Neben­ef­fek­te aus­zu­den­ken, aber manch­mal wird es eben auch zu viel. Durch die drei Arten von Sym­bo­len ist man in jedem Wür­fel­wurf gezwun­gen, sich min­des­tens zwei Qua­li­tä­ten von Ergeb­nis­sen ein­fal­len zu las­sen und wenn man es ein­fach bei Fluff belässt, dann steigt einem bald der Powerga­mer der Grup­pe aufs Dach.

Wenn ich auf die­ser Basis einen Wür­fel­me­cha­nis­mus ent­wi­ckeln wür­de, dann wür­de ich ers­tens W6 benut­zen (weil man da ein­fach sei­ne eige­nen ver­wen­den kann) und zwei­tens Neben­ef­fek­te sehr viel sel­te­ner machen. Zum Bei­spiel nur bei Paschs. Dann soll­ten sie aber auch viel dra­ma­ti­scher sein. Ich wer­de da mal ein wenig her­um­pro­bie­ren und dann viel­leicht noch mal was ver­lau­ten las­sen.

Bis bald! Und möge der Woo­kie mit euch sein.

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