Anno-Fate

Oder: Wie man ein Aufbaurollenspiel spielt

Denk ich an Anno in der Nacht
So bin ich um den Schlaf gebracht
Stund um Stund betracht ich mei­ne Stadt
Die Händ­ler, Bau­ern, Kar­ren hat
Fel­der, Häu­ser, Kir­chen, Lie­be
Wei­ter­ver­ar­bei­ten­de Betrie­be
Und die Schif­fe; brin­gen so viel Geld
Wie schön ist doch die Anno­welt

Was wür­de wohl pas­sie­ren, wenn man Rol­len­spie­le mit Auf­bau­spie­len kom­bi­nier­te? Und ich rede jetzt nicht von Sand­käs­ten, in denen Hel­den in einer funk­tio­nie­ren­den Welt agie­ren, son­dern von Spie­lern, die Abend für Abend eine eige­ne Welt erschaf­fen und wei­ter­ent­wi­ckeln. Befrie­di­gung weni­ger durch kom­ple­xe Plots und Cha­rak­ter­aus­spie­len als durch die lang­sa­me Ent­wick­lung einer indi­vi­du­el­len Stadt, eines Lan­des, einer Welt. Stellt es euch als gemein­schaft­li­ches Wel­ten­bas­teln nach Regeln des Rol­len­spiels vor. Wenn ihr euch dar­un­ter nichts vor­stel­len könnt – macht nichts, das geht mir ähn­lich. Aber lasst mich euch mei­ne halb­ga­ren Ide­en zu dem The­ma prä­sen­tie­ren.

Grund­sätz­lich spie­len die Spie­ler statt fes­ter, aus­ge­feil­ter Cha­rak­te­re Frak­tio­nen, bzw. Tei­le der Stadt, jeweils mit eige­nen Aspek­ten, Fer­tig­kei­ten und Stunts. Für eine klei­ne Anfangs­sied­lung könn­te man zum Bei­spiel mit einem Anfüh­rer, einer Miliz und eini­gen Bau­ar­bei­tern begin­nen. Man erstellt sich gemein­sam ein Land und ent­schei­det dann Abend für Abend, wie sich die Welt ent­wi­ckeln wird: Wel­che Tem­pel oder Kir­chen wer­den gebaut? Wel­che Natur­ka­ta­stro­phen bre­chen her­ein? Wel­che Frak­tio­nen kämp­fen gegen­ein­an­der? Wie wirkt sich die Kri­mi­na­li­tät aus? Und so wei­ter. Ziel ist, ein indi­vi­du­el­les Reich zu erschaf­fen, ob nun chi­ne­si­sches Berg­dorf, kari­bi­sche Pira­ten­sied­lung oder klas­si­sche Anno­in­sel, durch alle Zeit­al­ter hin­weg.

Dabei gibt es Ent­wick­lungs­aben­teu­er, in denen neue Land­stri­che erschlos­sen, Stadt­tei­le erbaut oder ein­fach nur wich­ti­ge Häu­ser ent­wi­ckelt wer­den kön­nen. Das läuft meis­tens nach gewis­sen Krea­ti­vi­täts­tech­ni­ken ab, um Input zu schaf­fen, dazu kom­men eini­ge Pro­ben, Her­aus­for­de­run­gen und Kon­flik­te und schließ­lich mün­det es in einem neu­en Cha­rak­ter, also einem Haus, einer Frak­ti­on oder einem Orts­teil mit Ein­fluss, der dann wahl­wei­se in einem der nächs­ten Aben­teu­er von einem Spie­ler über­nom­men wer­den kann. Der ande­re Aben­teu­er­typ sind Geschichts­aben­teu­er, in denen dann ein­fach mal die Simu­la­ti­on lau­fen gelas­sen wird. Wel­che Frak­tio­nen kämp­fen gegein­an­der? Wie reagiert die Stadt auf einen Pira­ten­an­griff? Was geschieht wäh­rend der Seu­che? Inter­es­sant dabei ist, einen Zeit­strahl und eine Kar­te mit­zu­schrei­ben, die als Über­blick und Beloh­nung gel­ten.

Das Gan­ze soll­te eini­ger­ma­ßen gemein­schaft­lich ablau­fen. Es gibt zwar also einen Spiel­lei­ter für den Abend (in der Regel der, der eine gute Idee zur Wei­ter­ent­wick­lung der Stadt hat), aber natür­lich sol­len alle flei­ßig mit­er­fin­den. Es ent­ste­hen neben inter­es­san­ten Städ­ten auch viel­sei­ti­ge Kul­tu­ren und schließ­lich hat man eine Welt, die wesent­lich mehr Tie­fe und Gestalt hat, als die meis­ten ande­ren Rol­len­spiel­wel­ten. Natür­lich ist es dann auch mög­lich, in die­ser Welt klas­si­sches Rol­len­spiel zu betrei­ben.

Regel­tech­nisch schwebt mir eine neue Fer­tig­kei­ten­lis­te vor, die klas­si­sche Auf­bau­res­sour­cen mit Rol­len­spiel­ta­len­ten ver­knüpft: Ein­fluss, Bau­ma­te­ri­al, Nah­rung, Geld, Kamp­fes­kraft, Ver­hand­lungs­ge­schick usw. Viel­leicht gibt es zwei Fer­tig­kei­ten, die den Ruhm und die Ver­rucht­heit dar­stel­len, ein wenig wie »gut« und »böse«, nur neu­tral, je nach­dem, ob man eine Ork­sied­lung oder eine Pala­din­burg bau­en will. Dazu 5 Aspek­te pro Frak­ti­on und ent­spre­chen­de Stunts (dar­über müss­te man sich jetzt noch mal Gedan­ken machen) und even­tu­ell zusätz­lich Bezie­hungs­as­pek­te, die die Bezie­hun­gen zwi­schen den Frak­tio­nen fest­le­gen. Theo­re­tisch kann es davon unend­lich vie­le geben, in der Pra­xis wird es rei­chen, jede Frak­ti­on mit drei oder vier ande­ren zu ver­knüp­fen. Gra­phen haben sich in der Ver­gan­gen­heit als hilf­reich erwie­sen. Inwie­weit Res­sour­cen­ma­nage­ment, Bau­kos­ten und Zeit eine Rol­le spie­len, bzw. umge­setzt wer­den kön­nen, müss­te getes­tet wer­den, ich kann mir aber vor­stel­len, dass es Spaß machen wür­de, mit ein paar Tabel­len und lau­fen­den Kos­ten, die sich als dau­er­haf­ter Malus auf der Geld-Leis­te nie­der­schla­gen, zu han­tie­ren.

Wie gesagt, dies sind nur gro­be, ers­te Gedan­ken, die jetzt bequatscht und getes­tet wer­den müs­sen. Viel­leicht fin­de ich Zeit, viel­leicht auch nicht.

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